Mode-Ikone Marlene Dietrich Style & Provokation
Als Star der 30er-Klassiker „Shanghai Express“ und „Der blaue Engel“ kultivierte die bisexuelle Schauspielerin ein geheimnisvolles und sinnliches Selbstbildnis, das die damaligen Grenzen von Weiblichkeit und Zurückhaltung sprengte und sich den Normen von Mode und Sexualität widersetzte.
Als Gender-Ikone prägt sie Mode und Lifestyle. Ich rede von Marlene Dietrich, geboren 1901 als Marie Magdalene Dietrich in Berlin.
Ich bin die fesche Lola
Erst spät gelang ihr in den 1930er Jahren der Aufstieg zur international anerkannten Künstlerin. Dabei wollte sie zunächst Musikerin werden. 1918 begann sie an der Musikhochschule Weimar eine Ausbildung zur Konzertgeigerin. Sie sattelte allerdings um und erhielt einen Platz an einer Schauspielschule. Es folgten aber nur kleinere Rollen, sie heiratete und bekam eine Tochter.
Im Jahr 1930 gelang dann endlich der Durchbruch als Hauptdarstellerin Lola in „Der blaue Engel“ unter Regisseur Josef von Sternberg.
Marlene kreiert ihre Lola als Projektionsfläche für Männerträume, weil sie das Klischee erotischer Verführung bedient und zugleich mit Signalen der Männlichkeit spielt. Sie hat schon als Newcomerin verstanden, dass zuerst provozieren muss, wer zum Klasiker avancieren will. Und das macht Marlene Dietrich, indem sie einen verwirrend raffinierten, weil herausfordernden Look erschuf und in ihren Filmen mit Rollen und Identitäten überlegen jongliert.
In „Der blaue Engel“ konnte Marlene Dietrich ihr Gesangstalent außerdem einer großen Öffentlichkeit präsentieren. Das von ihr vorgetragene „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ wurde ein Welthit. Direkt nach der Premiere des Films verließ sie Deutschland, um in Hollywood einen Vertrag bei „Paramount Pictures“ zu unterschreiben.
Dietrichs Geschichte ist auch eine der Hartnäckigkeit. 1933 reiste sie in einem weißen Hosenanzug auf einem Dampfer über den Atlantik nach Frankreich.
Als der Polizeipräsident von Paris erfuhr, dass sie schon die ganze Reise lang Männerkleidung trug, verkündete er, dass er sie verhaften würde, wenn sie so in der Stadt erscheinen würde.
Also setzte Marlene Dietrich sogar noch einen drauf. Für ihre Ankunft am Bahnhof in Paris wählte sie einen dreiteiligen Anzug mit Krawatte, einen Herrenmantel, eine Baskenmütze und eine Sonnenbrille.
Sie hat dann den tatsächlich wartenden Polizeichef untergehakt und vom Bahnsteig geführt und nicht er sie.
„Morocco“, der erste Film, der mit Dietrich in den USA produziert wird, ist ein Publikumserfolg. Skandalös ist die Tatsache, dass Marlene Dietrich darin als erste Schauspielerin überhaupt in Frack und Zylinder auftritt und in Männerbekleidung singt. Eine Frau im Hosenanzug ist revolutionär und wird von vielen argwöhnisch betrachtet.
Und das ist nicht alles, in einer Szene stibitzt sie einer schönen Frau spielerisch die Blume vom Haarknoten, um sie dann vor aller Augen auf den Mund zu küssen. Perfekt kopiert sie die maskulin fordernde Körpersprache des galanten Verehrers – ein schauspielerisches Meisterstück und ein Statement für eine Kultur, die Mode als Selbstausdruck und Geschlechterrollen lediglich als Gegenstand einer Inszenierung begreift.
„Es ist ein Etwas über aller Schönheit, Anmut und Begabung, das eine Frau wie Marlene Dietrich so anziehend macht auch für Frauen, ein beunruhigender, nicht restlos in die Kategorie „ästhetisch“ einzuordnender Reiz, dem sich völlig zu entziehen auch dem Widerspenstigen kaum gelingt.“ So schreibt Alfred Polgar in „MARLENE. Bild einer berühmten Zeitgenossin“.
Doch nicht nur ihre schauspielerischen Leistungen und ihre Gesangskünste, mit denen sie vor allem in ihren späteren Lebensjahren brillierte, sorgten für Aufsehen. Ihre skandalträchtige Film- und Bühnenbekleidung, die sie mit Jean Louis kreierte, wurde von der Londoner Presse gefeiert, als „die höchste Errungenschaft der Theaterwelt seit der Erfindung der Falltür“.
Einzigartig waren ihre „Nacktkleider“. Diese bestanden aus kunstvoll besticktem Souffle Gewebe, das man kaum mehr als ein Netz nennen konnte. Der zarte italienische Stoff wurde genau in ihrem Hautton eingefärbt, so dass er praktisch unsichtbar war.
Neben diesen gab es auch noch die sogenannten „Windkleider“. Hier wurde das Gewebe fest an ihrem Mieder befestigt.
Sichtbar war jedoch meist nur eine Brosche, die das Kleid scheinbar von Zauberhand hielt, während der zarte Stoff durch Windmaschinen zum Flattern gebracht ihre langen Beine entblößte und in Szene setzte.
Das i-Tüpfelchen setzte sie gerne mit dem großzügigem Einsatz von Accessoires, bodenlangen Pelmänteln oder wallenden Boas aus Schwanendaunenfedern.
Im Berliner Filmmuseum lässt sich ein Bühnenmantel aus den Federn mexikanischer Kampfhähne bestaunen.
Frauen in Männerkleidung
Seit „Die blonde Venus“ (1932) wurde das Markenzeichen der Dietrich allerdings Männerbekleidung. Sie provozierte mit Frack und Zylinder, Herrenanzügen oder der berühmten Marlenehose, der weiten taillenbetonte n Bundfaltenhose mit Aufschlag im klassischen Herrenschnitt.
Marlene war eine Verfechterin der perfekten Passform und herausragender Qualität Sie ließ sich ihre Kleidung daher von bekannten Herrenschneidern nähen wie von der Wiener Maßschneiderei Knize. Dort verbrachten sie häufig Tage mit der Auswahl der Modelle und Stoffe, mit Maßnehmen und der Anprobe. Bestellt wurden dann Fräcke, Dreiteiler, Chesterfield-Mäntel, Morgenröcke und Hemden.
Mit Marlene Dietrich wird Gender also zu einem gesellschaftlichen Thema, lange bevor es das Wort eigentlich gibt. Der Star führt vor, wie jene Identität, die das Geschlecht verleiht, gestaltet und variiert werden kann. Ob Zylinder, Anzug oder Uniform – Marlene Dietrich eignet sich die modischen Insignien der Männlichkeit an und eröffnet damit ein verführerisches Spiel, denn sie kombiniert mit sanften Wellen im hellblonden Haar und sinnlichem Makeup.
Obwohl Marlene Dietrich in ihren Männersachen umwerfend aussah, verging viel Zeit bis es gesellschaftlich akzeptiert war, dass Frauen Hosen trugen.
Schon Anfang des 20. Jahrhunderts begann sich die Hose als Teil des Pyjama und als Sportbekleidung auch in der Frauenwelt zu etablieren, als Kleidungsstück für den Alltag wurde sie jedoch nicht geduldet. Hosentragende Künstlerinnen und Schauspielerinnen wie auch Coco Chanel wurden hingegen als Vertreterinnen eines bestimmten Milieus akzeptiert und konnten so ein gewisses Fundament für Hosen legen.
Für einen Eklat sorgte Marlene Dietrich allerdings als sie 1931 in einem grauen Herren-Anzug in großen männlich-selbstbewussten Schritten durch die Straßen ging.
Die allgemeine Reaktion darauf war negativ, das sei geschmacklos. Einige Schauspielerinnen folgten zwar Dietrichs Beispiel, provozierten aber dadurch Verbote ihrer Filmgesellschaften. Herrenkleidung sollte nur den Herren vorbehalten sein.
Trotz der zahlreichen Versuche, die neue Bekleidung für Frauen zu verhindern, wurden Hosen im „Marlene-Dietrich-Look“ vermehrt verkauft und in Modemagazinen vorgestellt.
Vergeblich schrieben Blätter wie die „Wiener Mode“: „Wir haben uns zwar schon an den Anblick sonntäglicher Touristinnen oder Wintersportlerinnen gewöhnt, wollen aber nicht darüber hinwegkommen, dass sich die Kurven gereifter Weiblichkeit keineswegs anmutvoll in die Beschränktheit des dreiteiligen Herrenanzugs fügen.“
Junge und selbstbewusste Frauen fanden einfach Gefallen an den weiten, burschikosen Hosen und genossen die dadurch gewonnene Freiheit.
Spätestens ab den ersten Kriegsjahren des 2. Weltkrieges wurden Hosen für Frauen als Arbeits- und Alltagskleidung mehr oder minder notgedrungen akzeptiert, in der Gesellschaft ankommen sollten sie erst Jahrzehnte später.
„Le Smoking“
Während Marlenes Dietrich noch eine exakte Nachbildung der Herrenbekleidung trug, machte Yves Saint Laurent 1967 ein Kleidungsstück für die Lady daraus. Yves Saint Laurent war ein Künstler und ein Talent, das sich ganz und gar dem Design hingab, und mit dem Entwurf des „Le Smoking“ einen Meilenstein der Emanzipation der Frau setzte.
In seinen Schaffensphasen der 50er bis 70er-Jahren entstanden Kollektionen wie die Mondrian Kollektion 1965, die bis heute stilprägend sind und die Mode revolutionierten. Besonders ein Kleidungsstück der Kollektion von 1966 änderte alles bis dato Dagewesene: „Le Smoking“ für die Frau.
Erfinder des Damensmokings ist Yves Saint Laurent allerdings nicht, diese Ehre geht an Marcel Rochas. Rochas entwarf bereits im Jahr 1934 den ersten Sakko-Anzug für die Frau, der jedoch kaum Aufmerksamkeit erhielt. Und Marlene Dietrich trug schon früher maßgeschneiderte Hosenanzüge.
Von Kopf bis Fuß auf Mode eingestellt
„Sie hat Sex, aber kein bestimmtes Geschlecht“, sagt ihr Freund Kenneth Tynan über Marlene Dietrich, die verstanden hat, dass Ungreifbarkeit der subtilste und deshalb stärkste aller Reize ist. Dafür inszenierte die Diva in ihren legendären Auftritten eine Aura intensiver Kontraste. Was macht den Stil aus, für den sie noch heute bewundert wird?
1. Die Marlenehose natürlich: Eine weite Männerhose, häufig aus Tweed oder Wollstoff, mit geradem Bein, einem breiten Umschlag am Saum und einer Bügelfalte
2. Ihr neuer Hut steht ihr gut: Die Dietrich war ein großer Fan von Hüten jeder Art sei es Zylinder, Baskenmütze, Kapitänshut oder Federschmuck. 400 verschiedene Modelle enthielt ihr Nachlass.
3. Krawatte, Hosenträger, Manschettenknöpfe: Sich an der Grundausstattung der Herrenmode bedienen. Die Schauspielerin nutzt die charakteristisch maskulinen Accessoires, um ihren individuellen, progressiven Stil zu erschaffen.
4. Herrenschuhe: Oxford, Derby, Brogues, Lackschuhe…gibt es auch für Damen. Die Schuhe sind das Fundament jeden Auftritts, aber die Dietrich wird sicher auch geschätzt haben, dass sie flach sind.
5. Weste / Frack: Die Weste ist heutzutage eher Accessoire aber war früher integraler Bestandteil eines Herrennzugs. Zur Abendgarderobe ist sie sowieso unverzichtbar. Und für Ihre Fracks ist Marlene Dietrich wohl berühmt…
Marlene Dietrich’s ABC
„Die Geburtsurkunde ist ein Gerücht, das eine Frau durch ihr Aussehen jederzeit dementieren kann“, sagt die Dietrich einmal unüberbertroffen weltklug. Jeder kann das eigene Leben als Kunstwerk formen, wenn er bereit ist, für diesen Entschluss auch einsame Wege in Kauf zu nehmen. Glamour sei ein „unwirkliches Paradies“, meint die Diva wenige Jahre vor ihrem Tod, das Terrain der eigenen freien Existenz, seiner Lockungen und Tücken.
In ihren Sechzigern veröffentlicht sie ein Buch, „Marlene Dietrich’s ABC“, in dem sie sich in alphabetischer Reihenfolge einer Vielzahl von Themen widmet und sich mit Charme und Witz sowie philosophischen Gedanken zum Leben auseinandersetzt. So wird einem ein Eindruck von der Persönlichkeit hinter der öffentlichen Figur zuteil.
1975 zieht sie sich nach einem letzten Auftritt aus der Öffentlichkeit zurück. Als sie das öffentliche Image, das sie aufgebaut hatte, nicht aufrechterhalten konnte, entsagte sie sich.
Sie hat verstanden, was sie geschaffen hat, und wollte dieses ikonische Bild nicht stören.
1978 erscheint sie noch ein letztes Mal in einem Film. In „Schöner Gigolo, armer Gigolo“, wirkt sie wie ein Zeichen der Unvergänglichkeit.
Dort spielt Marlene neben David Bowie – und zelebriert mit ihm den Zauber androgyner Reize.
„Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich die gleichen Fehler machen. Aber ein bisschen früher, damit ich mehr davon habe.“ Ähnlich pragmatisch wie die Beziehung zum Glamour war auch die Einstellung von Marlene Dietrich zum Leben.
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