20er Jahre Stil und Mode – die goldenen Zwanziger
Der 20er Jahre Stil ist außergewönhlich.
Nach den Schrecken des ersten Weltkrieg wollten die Menschen intensiv leben und Rausch und Tempo durchzog das gesamte Jahrzehnt.
Dadurch, dass im Krieg viele Frauen zum ersten Mal im Leben eigenes Geld verdient hatten, gab es einen enormen Emanzipationsschub, der für ein völlig verändertes Schönheitsbild sorgte.
20er Jahre Stil – Flapper & Garconne
Die weibliche Verkörperung des Jazz Age sind das Flapper Girl und die Garconne. Beides bezeichnet im Grunde den gleichen Typ Frau, wobei das Flapper die angloamerikanische Version darstellt und die Garconne die europäische. Ihnen gemein ist, dass sie sich durch ihr Styling und ihr Verhalten deutlich von den jungen Frauen vorheriger Generationen unterschieden.
Das Bild der Garconne geht auf den 1922 erschienen Roman „La Garconne“ zurück. Das Buch war als Pornografie zensiert, weil es Frauen beschrieb, die Karriere machten, Männerkleidung trugen und natürlich die freie Liebe außerhalb der Ehe lebten. Wahrscheinlich verstärkte die Zensur erst den Kultstatus des Buches – es war eines der großen Bestseller seiner Zeit.
Sie rauchten Nikotin und Opium, tranken Alkohol, trugen kurze Haare, entledigten sich des Korsetts, zeigten Bein bis zum Knie, tanzten durch die Nächte und flirteten ausgiebig mit Männern. Das Image der Flapper und der Garconne begründete sich in drastischen – für manche damals völlig schockierenden – Änderungen im Aussehen und Verhalten von Frauen.
Idole dieser neuen Bewegung sind die Hollywood Stars Louise Brooks, Gloria Swanson und Clara Bow, die Künstlerinnen Kiki de Montparnasse und Nancy Cunard, Tänzerin Josephine Baker, das erste Supermodel Marion Morehouse und natürlich Coco Chanel, die wie keine andere mit ihrer Mode den Frauen einen neuen Weg gewiesen hat.
Viele Faktoren spielten bei der gesellschaftlichen Umwälzung mit, dass junge Frauen sich nicht mehr um Konventionen kümmerten, sondern ihr Leben in vollen Zügen auskosteten. Bessere Ausbildungschancen, Wahlrecht und ihre im 1. Weltkrieg dringend erforderliche Arbeitskraft gehörten dazu. Auch war eine ganze Generation junge Männer auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges geblieben und in den großen Städten wie Berlin war das Verhältnis Mann zu Frau eins zu vier. Da spielte man lieber Vamp, als auf einen Ehemann zu hoffen.
Technische Errungenschaften, die das Leben erleichterten, wie das Automobil, waren ein anderer Faktor für das Entstehen der Flapper Kultur. Autos verhießen Unabhängigkeit und Frauen konnten zu jeder Zeit fahren und reisen, wohin sie wollten. Und Autos waren bestens geeignet, dem anderen Geschlecht näher zu kommen.
20er Jahre Stil – Frisuren
In den Zwanzigern hieß Freiheit, ein wenig einem Mann zu ähneln. Die Zeitschrift „La Coiffure de Paris“ titelte 1924: „Die Würfel sind gefallen. Coiffeur, Sie müssen abschneiden!“
Die Schriftstellerin Colette hat diesen Schritt schon 1903 gewagt, aber erst 1917 folgte die Avantgarde und Friseur Antoine schnitt Coco Chanel den Nacken frei und kreierte somit den Bubikopf (Bob).
Dagegen waren der Eton oder Garcon Schnitt extrem kurze Abwandlungen des Bubikopfs. Frauen, die diese extremsten 20er Jahre Frisuren trugen, gingen dafür größtenteils zum Herrenfriseur, da die Damenfriseure anfangs keine solchen Schnitttechniken beherrschten. Manche Frauen konnten sich nicht von ihrem Haar trennen und kreierten Frisuren, die den Bob nur nachahmten.
Für den etwas weicheren Touch wurden die Kurzhaarschnitte oft in Wellen gelegt. Wellen waren schon in vorherigen Jahrzehnten oft Teil der Frisur, die Technik verändert sich aber in den 20ern. Die Marcel Ondulation, auch Marcel Welle genannt, ist die Technik des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, bei der die Wellen mit einem Brenneisen in das trockene Haar gelegt werden. In den Zwanzigern kommt nun die Technik der Wasserwellen oder auch Fingerwellen (finger waves) genannt, hinzu. Wie die Namen bereits verraten, werden hier die Wellen in nassem Haar erzeugt und zwar mithilfe der Finger.
20er Jahre Stil ist es, nicht den gesamten Oberkopf in Wellen zu legen, wie das in den 30ern typisch wird, sondern nur die Stirn mit einer großen Welle zu umschatten und diese als Arabeske wieder am Ohr aufzunehmen (Frisur von 20er Starfriseur Leon Agostini). Schmachtlocken werden in den 20ern mit verschiedenen Grundfrisuren getragen, sind aber am Bekanntesten in der von Josephine Baker getragenen Form.
Die Dauerwelle, die das gesamte Haar durch Chemie und Wärme in Locken legt, wird in den 20ern von K.F. Neßler erfunden, setzt sich aber erst deutlich später durch.
20er Jahre Stil – Mode
Die neuen, ergiegeladenen und verrückten Tänze des Jazz Age erforderten Beweglichkeit, die ein Korsett verhinderte.
Die knielangen Pumphosen, Unterhemden und Korsetts wurden durch Unterwäsche abgelöst, die nicht auftrug, luftig war und nicht allzuviel bedeckte, die Lingerie wird geboren. Beliebt waren Hemdhöschen und Zweiteiler aus Seide und Spitze oder aus feinen, spitzenverzierten Baumwollstoffen, die erstmals nicht mehr nur weiß waren, sondern auch rosa, hellbau oder anders pastellig.
Da Androgynität gefragt war, gab es elastische Miederwaren, um die Figur auf jungenhaft zu trimmen, wie Hüftformer und Sport -oder Tanzgürtel mit Strumpfhaltern. Weiblich gerundeten Frauen wurden Korseletts mit abgeflachter Brustpartie empfohlen. Natürlich trug man als Frau Strümpfe, diese waren aber ab 1923 aus rayon (Kunstseide) und zart, schimmernd und hautfarben, was die Beine nackt und sexy wirken ließ.
Nachdem das Korsett verbannt war, konnten Frauen ihre neue Bewegungsfreiheit genießen und Sport wird populär, so dass Freizeit-, und Sportmode entsteht. Die Mode fokussierte sich auf die Beweglichkeit und der Rocksaum wird kürzer und kürzer und geht in der Mitte der Zwanziger sogar bis zum Knie hoch.
Auch die Taille sinkt im Laufe der Dekade bis fast unter die Hüfte. Weibliche Konturen verschwinden in der geraden Linie des Hängerkleides.
Kennzeichnend für den 20er Jahre Stil war eine gewisse Uniformität, denn der Schnitt der Kleider war sehr ähnlich. Sie unterschieden sich in erster Linie durch Farbkombination, Stoffe und deren Musterung, ihre Verarbeitung und durch Verzierungen, die aber eher der Abendmode vorbehalten waren.
Der exotische Einfluss durch archäologische Funde und die Kolonisierung lässt einen anhaltenden Trend in den 1910ern entstehen, der bis weit in die Zwanziger anhält. Insbesondere Ägypten und der Orient beeinflussen die Mode und Turbane sind angesagt. Modedesigner, Maler und andere Künstler inspirieren sich gegenseitig und Textilien werden zur Leinwand für künstlerische Drucke der Stile Kubismus, Surrealismus und Art Deco.
In der Abendmode tauchen 1927 verlängerte Rockzipfel und Schärpen auf, welche die Rocksäume teilweise verlängern. 1928 wurde das Pfauenschweif-Abendkleid modisch, dessen Rock vorne kniekurz hinten aber bodenlang wurde.
Bereits gegen Ende der 20er Jahre kamen figurbetonte Kleider in Mode, die Taille rutschte an ihre natürliche Stelle und man entdeckte die Weiblichkeit wieder. Die Rocksäume wurden ab 1929 deutlich bis unterhalb des Knies verlängert und in der Abendmode ist wieder der bodenlange Rock angesagt.
20er Jahre Stil – Makeup
Starkes Makeup wird für den modischen Look unerlässlich. Rouge, helles Puder, dunkel geschminkte Lippen, Kajal umflorte Augen und hohe, extreme dünne Augenbrauen gehören zum typischen, leicht verruchten 20er Makeup dazu.
Sich in der Öffentlichkeit den Mund zu schminken oder mit dem „Compact“ nachzupudern, gilt aber als richtig ungehörig – und war deshalb für Flapper Pflichtprogramm. Und es wird dick aufgetragen, Künstlichkeit ist in. Dem entbößten Körper wurde sozusagen ein maskiertes Gesicht entgegengesetzt.
20er Jahre Stil ist zwar noch sehr helle Grundierung, aber Sonnenbräune ist auf dem Vormarsch. Gebräunte Haut und Sonnenbaden sind Dinge, die völlig neu in der Geschichte sind. Jahrhundertelang bis zur Antike war blasse Haut ein Zeichen für Adel, Reichtum und Schönheit. Im Laufe der Zwanziger werden Grundierung und Puder immer natürlicher, so dass Sommerbräune hindurchblitzen kann.
Russische Adlige, die nach der Revolution ihr Land verlassen hatten, brachten ihre Vorliebe der „beaded lashes“ auch „Perlen Wimpern“ genannt nach Paris, Berlin und schließlich Hollywood.
Dabei werden mehrere einzelne Wimperm zusammengebündelt und am Wimpernabschluss mit einer kleinen Perle flüssiger, wachsartiger Augenschminke versetzt, so dass verdichtete, dunkle Wimpern mit einer Perlenreihe entstehen. Die Perle entsteht, in dem man an einem Streichholz oder einem anderen dünnen Stab herunterlaufen lässt, bis am Ende ein Tropfen entsteht, den man dann an das Wimpernende klebt. Eyelash Beading kann an den oberen und unteren Wimpern erfolgen und bedarf einiges Geschicks.
Diese Art des Wimpern Make-ups war insbesondere bei Tänzerinnen und Schauspielerinnen beliebt, auch Männer trugen dies manchmal als Bühnen Make-up. Perlen Wimpern halten sich teilweise sogar bis in die 60er Jahre, werden dann aber meist an falschen Wimpern gestylt. Bessere Qualität zu günstigerem Preis bei falschen Wimpern und Mascara löst Wimpern Beading schließlich ab.
Ende einer Dekade
Die wilde Party der Zwanziger kam am 25. Oktober 1929 mit dem schwarzen Freitag zum Halten. Durch den Börsenkrach war das Geld schlagartig nichts mehr wert, Reiche verloren von einem Tag auf den anderen ihr ganzes Vermögen und Arme wurden noch ärmer. Die „great depression“ erscheint auf der Bildfläche.
Aber auch wenn der typische 20er Jahre Stil mit den goldenen Zwanzigern gestorben ist, sind die neuen Freiheiten für Frauen nicht so leicht hergegeben worden. Sie sind vielleicht zurück in die Ehe gegangen und in die schlechtbezahlten typischen Frauenberufe, aber der Kleidersaum blieb über dem Knöchel und das Korsett ist nie wieder alltagstauglich geworden. Und wir fahren Auto seitdem. Yeaah!
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